BERLIN PHILHARMONIC – OCTOBER 2018
Järvi betreibt die Mechanisierung der Musik (Lutosławski Concerto for Orchestra), lässt die Philharmoniker aber auch zum Maschinensturm blasen und rettet das menschliche Maß, indem er dessen heillose Gefährdung offenlegt. So kantig und diszipliniert Järvi den Orchesterapparat mitunter befehligt, mit unter Hochspannung zuckenden Gliedern, es sind dann doch die losen Enden zum Schluss des Eröffnungssatzes, die einen besonders bewegen. Diese versprengten, hastig zusammengefegten letzten Reste von Harmonie und Intimität.
Nach der Pause geht Järvi die 2. Sinfonie von Johannes Brahms im Geiste Lutoslawskis an. Schon das eröffnende Kontrabass-Motiv, die schwankende kleine Sekunde, evoziert Lutoslawskis Passacaglia-Thema. Sie ist eben keine Begleitfloskel, sondern ein Menetekel. Von wegen wegen heiter-behaglicher Brahms: Järvi kehrt die verdüsternden Störmanöver hervor und wählt langsame Tempi, sodass Brahms’ charakteristische Duolen-Triolen-Rhythmik erst recht zur Zähflüssigkeit beiträgt. Es rumort – unentwegt … Schön zu sehen, wie einmütig die Philharmoniker mit Järvi musizieren, mit welcher Leidenschaft allein die Konzertmeister Daishin Kashimoto und Noah Bendix-Balgley die Köpfe zusammenstecken.
Der Tagesspiegel, Christiane Peitz, 19 October 2018